Montag, 27. Februar 2012

Das Modell Weltpolizei ist gescheitert!

Die Welle der Wut über die versehentlichen Koran-Verbrennungen der US-Armee in Afghanistan spitzt sich zu. Nach zahlreichen gewaltsamen Ausschreitungen in den letzten Tagen, kam es nun offenbar auch zu einem Vorfall im Innenministerium in Kabul. Laut örtlichen Medien gab es einen Schusswechsel im Haus, bei dem zwei US-amerikanische Militärberater ums Leben gekommen sein sollen. Des Weiteren wurde ein Regierungsgebäude sowie ein UN-Büro von der Menge attackiert.
Was zeigen diese jüngsten Ereignisse in Afghanistan? Sie zeigen vor allem einmal mehr die Aussichtslosigkeit des ISAF-Unterfangens, die Region durch ausländische Militärpräsenz zu stabilisieren. Ursprünglich war es Amerikas Kampf gegen den Terror, der den Westen bei dieser militärischen Operation leitete. Später verschob sich Tonart und Zielstellung und Afghanistan sollte unter internationaler Besatzung staatliche Strukturen nach westlichem Vorbild aufbauen. Dass diese Metamorphose kaum möglich sein sollte, war bereits vor 10 Jahren kein Geheimnis, wenn man die kulturellen und politischen Hintergründe des Landes im Auge hatte. Doch das Gewissen, einen offensichtlichen Angriffskrieg geführt zu haben sowie wirtschaftliche Interessen zwangen die westlichen Mächte für den Wiederaufbau vor Ort zu bleiben. Nach den darauffolgenden Erfahrungen im Irak, bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft kein westlicher Staat mehr eine Intervention im Mittleren oder Nahen Osten ins Auge fasst. Die NATO sollte sich im Zuge dessen auch überlegen, ob ein Abzug aus Afghanistan bis 2014 schnell genug und ob die danach fortdauernde Präsenz von amerikanischen Spezialeinheiten wirklich sinnvoll ist.
Warum so eine vehemente Politik des Rückzugs? Was die Außenpolitik der NATO-Mächte aus den letzten Jahren gelernt haben sollte, ist, dass die Verständigungsschwierigkeiten insbesondere zwischen der westlich-liberalen, säkularen und der orientalisch-muslimischen Gesellschaft extrem groß sind. Ohne Huntingtons „Kampf der Kulturen“ strapazieren zu wollen, hat sich diese Diskrepanz in den letzten Jahren immer wieder als unüberwindlich gezeigt. In der Natur der Medien liegt es außerdem über die entsprechenden Affären umso ausführlicher zu berichten, je stärker westliche und orientalische Kultur sich dabei voneinander abgrenzen. Wie viele Menschen können wohl wirklich in diesem Land Verständnis dafür aufbringen, dass nach versehentlicher Verbrennung religiöser Bücher, gewaltsame Mobs auf der Straße entstehen, die in Sprechchören den sofortigen Galgen für die Verantwortlichen fordern? Wohl kaum jemand. Selbst vor dem Hintergrund der prekären Sicherheitslage und der Armut mutet diese Reaktion fremd an. Wie im aktuellen Fall Kasghari, einem saudischen Blogger, dem nach blasphemischen Äußerungen nun die Todesstrafe droht, erinnern solche Nachrichten den westlich Sozialisierten eher an den Geschichtsunterricht als an die Wirklichkeit. Dieser sollte ihn jedoch lehren, dass die heutigen Werte unserer Kultur wie die Achtung der Menschenrechte, die Demokratie, die Laizität usw. wiederum in einem jahrhundertelangen Prozess gebildet wurden. So etwas lässt sich also nicht wie Futtermittel importieren, sondern muss als gesellschaftliche Entwicklungen von innen getragen werden. Ganz gering wird die Überzeugungskraft der westlichen Argumente dabei bleiben, so lang durch wirtschaftliche Interessen und militärische Kontrolle in diesem Kulturkreis Macht zur Schau gestellt wird. Ob guter oder schlechter Wille dabei im Spiel ist, tut nichts zur Sache. Fakt ist, dass die nötige kulturelle Sensibilität auf keiner Seite gegeben ist. Das zeigt nicht zuletzt diese kopflose Verbrennungsaktion auf dem US-Stützpunkt.
Der Abzug aus Afghanistan kommt reichlich spät und beendet damit hoffentlich eine äußerst unglückliche Epoche der westlichen Intervention. In Zukunft sollte es stets bei diplomatischen Wegen und außenpolitischen Druckmitteln bleiben, wenn von außen innenpolitische Verhältnisse beeinflusst werden sollen. Ein Militärschlag käme nur bei einer äußersten Bedrohung des Weltfriedens in Frage. Des Weiteren muss die westliche Gesellschaft ihre durch Medien verbreitete, sprunghafte Bestürzung über die Verhältnisse in anderen Kulturen ablegen und realistisch die begrenzten Möglichkeiten ihrer Einflussnahme durch Diplomatie, UN und NGOs einschätzen. Gerade weil es nach den Kriterien der UN-Menschenrechte so viele Brennpunkte auf dem Globus gibt, kann und darf der Westen keine Weltpolizei stellen. Nur so können auch die Spannungen mit der muslimischen Kultur vermindert und ein Dialog auf Augenhöhe angestrebt werden. Der bedingungslose Abzug aus Afghanistan und die entschiedene Vermeidung zukünftiger Militärinterventionen sind also die Schlussfolgerungen, die ich aus den vergangenen Jahren ziehe und die mir in den Medienberichten der letzten Tage stets besonders vor Augen geraten.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Vorwort - Über diesen Blog

Wie jeder andere Blog ist auch dieser dazu da, persönliche Gedanken zu sammeln, zu veröffentlichen und zu diskutieren. Die Beiträge sollen Reflektionen zu aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen liefern und stets andeuten, dass die Gegenwart später einmal auch aus dem Geschichtsprozess betrachtet werden wird. Sie wollen spekulieren, welche Perspektiven sich später aus größerer zeitlicher und ideologischer Distanz bilden könnten.
Diese Texte dienen ebenfalls dazu, mir Gedanken ordnen zu können. Doch auch wenn dadurch der sprachliche Stil möglicherweise schwer zugänglich ist, hoffe ich, dass Leser mindestens Anregungen erhalten, die sie zur Diskussion animieren.
Der Philosoph Ernst Bloch hat einmal etwas gesagt, was gleichermaßen gut auf eine zeitliche Nähe oder die Nähe zu einer Person oder zu einer Weltanschauung passt: "Was sehr nah ist, was unmittelbar vor meinem Auge aufragt, kann ich nicht sehen. Es muss Abstand da sein. Dann erst kann es gegenständlich sein..." Unsere Reflektion kann sich nur auf etwas beziehen, was sie als Gegenstand fassen kann, d.h. von dem sie weiß, dass es schon existiert. Auch die blühendste Fantasie wird immer nur ein assoziatives Verwirrspiel unserer durchlebten Erinnerungen sein. Das Dilemma ist somit, dass, da ich etwas nur besser sehe, indem ich mich von ihm enferne, ich prädestiniert dazu bin, mich über den vermeintlich falschen oder unterlassenen Entschluss zu ärgern. Vermeintlich deshalb, weil jede Epoche ihre eigene Interpretation einer historischen Situation bereithalten wird.
Ungeachtet dessen, muss derjenige, der die Gesellschaft reflektieren will, so tun, als würde er auf die Gegenwart zurückblicken als hätte sie bereits ein fertiges Kapitel in den Geschichtsbüchern. Es gilt, das Heute bereits im Licht der Geschichte zu sehen. Das ist zwar genau genommen unmöglich, doch kann der Gesellschaftsbetrachter immer wieder versuchen Spekulationen in den Himmel zu schießen, um zu sehen, was er getroffen hat, wenn er einmal dort hinreisen wird. Natürlich ist dabei diese "Ich-hab-es-euch-ja-gleich-gesagt"-Freude für die Gemeinschaft letztenendes gar nicht so entscheidend. Sie hat vielmehr davon profitiert, dass das utopische Potential der Spekulation zu ihrer Verwirklichung maßgeblich beigetragen hat. Betonen möchte ich, dass so eine Spekulation nicht gleich einer steten, zwanghaften Kritik des Bestehenden ist, sondern eher eine Perspektive, die es schafft, uns "aus der Zeit hinauszuversetzten".
Weiterhin soll es in diesen Artikeln auch um das Problem mit der Nähe an sich - besonders das Problem der zeitlichen Nähe - gehen. Wenn man im Extremfall davon ausgeht, dass Gegenwart nicht erfahrbar und die Vergangenheit die einzige Raum unseres Erlebens und somit auch Reflektierens ist, selbst dann wird man feststellen, dass je näher etwas ist, desto nüchterner und je ferner, desto epischer, tragischer, glorreicher, nostalgischer; kurz: desto ästhetisch Ausgeschmückter wird es für uns. Gerade auf diese Unterschiede zwischem der nahen und der fernen Behandlung desselben Ereignisses, zwischen - etwas bildlicher - dem Erleben und dem Erzählen möchte ich regelmäßig zurückkommen.
Nichtsdestotrotz, die Zeit wird vergehen. Vielleicht schreibe ich dann auch über ganz anderes, als ich mir vorgenommen habe. Am Ende bleibt der Charakter eines Blogs immer der von einem persönlichen Tagebuch. Bei aller Eigenwilligkeit der Themen; der Blog müsste kein Blog sein, wenn nicht sein Angliegen wäre, Gesprächspartner zu finden.

In diesem Sinne,

bis bald ;-)!

Demonstrationen und der Alltagsmensch

Unter den Berichten über die „Occupy-Bewegung“ der letzten Wochenenden, die auch mit zahlreichen Demonstrationen in Deutschland offensichtlich mehr als nur eingefleischte Systemprotestler mobilisieren konnte, kam in mir erneut die Frage auf: Was bringt denn das Demonstrieren? Warum ist es Bestandteil unserer demokratischen Kultur geworden? Denn - so selten dies ist - die ideellen Wünsche dieser Protestbewegung kann ich in diesem Fall ohne Weiteres nachvollziehen. Bleibt nur die Frage: Ist diese Form ein realistischer und effektiver Weg?
Nun, wie nimmt man denn als Durchschnittsmensch Demonstrationen vor der Brille seiner allgemeinen Alltagssorgen wahr? Ab und zu sieht man beim wochenendlichen Einkaufsbummel irgendwelche ehrgeizigen Protestzüge an sich vorbeiziehen. Die ganze Szenerie betrachtet man dann kaum mehr als ein Phänomen des geschäftigen Stadtlebens, das allenfalls unsere Neugierde ein wenig kitzelt, in etwa wie ein Verkehrsunfall, ein Autokorso oder berittene Polizisten. All dies scheint für sich folgenlos für unser Leben. Höchstens hält es ein bisschen den Verkehr auf. Aktivisten in den Fußgängerzonen haben es generell schwierig, beim wuseligen Alltagsbürger wirklich auf den Nerv zu treffen, der ehrliches Interesse in ihnen wecken kann. Ja, es ist fast unmöglich, so etwas zu erwarten. Wenn der dreifache Familienvater in leicht gereiztem Stechschritt zur tickenden Parkuhr geht, wird er kaum die Muße aufbringen, ein UNICEF-Aktionsblatt zu unterzeichenen, auch wenn er, konkret vor die Wahl gestellt, sicher auch für die Durchsetzung der EU-Richtlinien für Kinderarbeit in Osteuropa wäre. Selbst wenn er samstags schlendernd mit Familie, Einkaufstüten, Sonnenbrille, Gelassenheit und eben der vermeintlichen „Muße“ durch die Meilen zieht, auch dann unterschreibt er nicht. Warum? Verflixt noch mal! Ganz einfach: weil dieser politische Gedanke zu abstrakt, zu fern, zu undurchsichtig ist und der Alltagsmensch Bequemlichkeit über alles schätzt.
Sollte die „Occupy-Bewegung“ mit ihrem Anliegen genau diese überwinden können? Das Thema der wackelnden Finanzmärkte, der irrationalen Wirtschaftsmechanismen und der folgenden Sparmaßnahmen beim Volk wurde in den letzten Wochen in so gut wie allen Medien hinlänglich ausgebreitet. Nicht, dass aufgrund des hohen Komplexitätsgrades irgendjemand klare Lösungen oder Ziele formulieren könnte, aber das Problem ist durch alle Gesellschaftsschichten hindurch erkannt. Der Grund sich Demonstrationen anzuschließen, wäre für viele da. Doch lässt sich nicht leicht einsehen, was symbolische Menschenaufmärsche, die Straßen verstopfen, rare Freizeit auffressen und Platzangst hervorrufen, mit ihren mitunter albernen Plakaten zur Lösung dieses Problems beitragen können.
Ich denke, dass die Kraft, die diese gegenwärtige Protestbewegung entfalten kann, von vielen noch zu stark unterschätzt wird. Denn die Kritik setzt genau an Punkten im Gesellschaftssystem an, bei denen selbst den apolitischsten Pragmatikern die Dynamik des Kapitalismus nie ganz geheuer war. Jenseits von ideologischem Geschwätz kommen Konservative, Neoliberale oder Linke darüber ein, dass, wenn Finanzwettgeschäfte von Großinvestoren den Wirtschaftskreislauf ganzer Länder zerstören können, sie entsprechend eingeschränkt werden müssen. Den Kapitalismus abschaffen wollen dabei die Allerwenigsten. Zeigen, wo ein offensichtlicher Makel im System liegt, schon. Dass Demonstrationen symbolischen Protest ausüben, wird oft negativ interpretiert. Dabei ist das Symbol eine der stärksten politischen Waffen. Die Geschichte zeigt nicht selten auf erschreckende Weise, in welchen Bann es Menschen versetzten kann. Weiterhin ist die Demonstration fester Bestandteil der modernen Demokratie-Kultur. Den Eintritt in diese assoziiert die europäische Bevölkerung der ehemaligen Ostblockstaaten bspw. immer noch als Folge von Demonstrationen. Die moderne Demokratie versucht dem Dilemma, dass ein herrschendes System nie ideologiefrei sein kann, irrwitzig auf die Schliche zu kommen, indem sie sich eine Opposition und mögliche Protest-Demonstrationen förmlich wünscht. Demonstrationen sind daher nicht nur geduldet, sondern auch Zeichen dafür, ob eine demokratische Gesellschaft auch wirklich funktioniert. Aber verlieren wir uns nicht in leeren Aktivismus-Floskeln…Das Symbolische am Protest wird bewirken, dass zwar viele Passanten müde wegschauen und mit schlechter Laune aus dem Berufsverkehr kommen, doch zieht es bei so einem medienpräsenten Thema auch schnell die Kameras auf sich. Nachdem diese gerade noch genervten Alltags-Pendler ihren Groll nach dem Abendbrot wortwörtlich hinuntergeschluckt haben, setzten sie sich nicht selten auf die Fernsehcouch. Nicht am Ersten, auch nicht am Zweiten, aber an irgendeinem Abend wird so ein Slogan bei ihnen im Gemüt irgendetwas anregen, dass sie zum ersten Mal die Sache bewusst reflektieren lässt. Sie sagen, das dauert zu lange und kommt zu selten vor? Statistisch dauert es nicht zu lange, wenn wir allein rund 40 Millionen Deutsche mit ähnlichem Tagesablauf einrechnen. Da ist absolute Chaostheorie. Gerade bei gesellschaftlicher Meinungsdynamik kann ein winziger Kiesel schnell die Lawine werden. Das fast unerträgliche politische Hin - und Her der unzähligen Ansichten, mit dem wir in den öffentlichen Medien konfrontiert sind, ist in Wirklichkeit ein brodelnder Topf, der jeden Tag unbewusst ein paar Rädchen im Kopf anders dreht, selbst wenn wir selbst der Meinung sind seit zwanzig Jahren klar für dieselben Prinzipien zu stehen. Bei der Masse an Zuschauern, begreift auch die führende Politik schnell, wann die allgemeine Stimmung kippt. Beider nächsten Wahl möchte schließlich niemand der Buhmann sein. Nicht viele Demonstrationsaktionen haben von vornherein dieses Potential. Die „Occupy-Bewegung“ schon. Diejenigen, die die Dynamik unserer Zeit unterschätzen, sagen, dass im Alltäglichen eben kein Platz fürs Globale sei. Vielmehr ist es so, dass das Alltägliche gar nicht mehr weiß, was in ihm global ist, denn in der Alltagswelt ist der Einfluss „öffentlicher Medien“ schon so allgegenwärtig, dass der Begriff selbst für uns beinahe sinnentleert wirkt.
Das Demonstrieren. Was macht es eigentlich? Es setzt auf den Dominoeffekt der Gedanken. Protest sieht mitunter laut, aggressiv und platt aus, doch seine wirkliche Waffe ist die schleichende Ungewissheit, die sie nach einer gewissen Zeit in den Köpfen seiner Gegner breit macht, im Menschen selbst, dem ewigen Zweifler, und so irgendwann ihr Gewissen zwingt zu fragen: „Und wenn es doch anders wäre…?“

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